Ein Drittel der Massai-Mädchen ist beschnitten

27.April 2023

Schutz von Frauen und Frauenrechte sind in Tansania ein großes Thema, Beschneidung ist gesetzlich verboten. Das hat natürlich auch mit dem Einfluss von NGOs zu tun, die Geld ins Land ­bringen. Trotzdem ist sie in entlegenen Gegenden noch eine gängige Praxis im Norden Tansanias. Ein Drittel der Massai-Mädchen in unseren Schulen ist beschnitten. Ich setze eher auf Auf­klärung. Mit Kritik erreicht man nichts, außer dass die Leute einem dann nichts mehr erzählen und bei Komplikationen das Spital meiden. Wir sagen den Mädchen, dass sie bei Beschneidungen nicht mittun müssen, wir erklären die gesundheitlichen Folgen, damit die nächste Generation anders aufwächst.

Wir sagen ihnen, eure Mütter wollten den Männern Stärke zeigen, indem sie Schmerz ertragen können. Sie lassen euch nicht beschneiden, um euch wehzutun. Aber ihr könnt andere Wege finden. Stärke zeigt man heute nicht durch Leiden, sondern durch Bildung. Das ist besser, als zu sagen: Beschneidung ist schlecht und verboten. Natürlich geht es nicht nur um Stärkezeigen. Ein Sinn ­dieser Praxis ist, Frauen von Männern abhängig zu machen, weil sie dann viel weniger fremdgehen. Aber ich will nicht ihre Kultur runtermachen. Sehr beeindruckt hat mich einmal eine alte Frau. Sie meinte, dass sie ihr Leben lang nach Antworten suchte, wofür die Beschneidung jetzt eigentlich wichtig oder gut war, inzwischen sei sie so alt und habe die Antwort und den Zweck dahinter noch immer nicht gefunden. Bei ihrer Enkelin sei sie nun dagegen.

Mädchen haben die Möglichkeit, bei uns Schutz zu suchen. Daheim und in den Tagesschulen sind sie oft nicht sicher. Vor Übergriffen sind Mädchen zwischen 13 und 17 im Grunde nur in einem Internat geschützt. Deshalb möchte der Staat auch alle Sekundarschulen zu Internaten umformen. Das heißt, wir brauchen Bildungsmöglich­keiten. Wenn sie sich weigern, bei der Beschneidung mitzuspielen, könnten sie natürlich verstoßen werden. Aber eine Ausbildung macht das wett. Es wird ihnen verziehen, Geld ist immer wichtiger. Sie haben dann eine neue Stellung und leben außerhalb dieses kulturellen Radels.“ 

("Die Presse Schaufenster" vom 14.04.23)