Ein Lebenslauf aus Tansania

25.July 2021

Im Rahmen unseres Pfarrprojektes in Tansania haben wir Rehema L. kennengelernt. Sie ist eine Maasai-Frau, Christin und 27 Jahre alt. Sie hat uns ihre Lebensgeschichte erzählt; sie bewegt. Hier ist sie:

„Mein Vater hat 6 Frauen und 35 Kinder. Meine Mutter ist die zweite Frau und hat drei Kinder. Ich bin das zweite Kind. Ich besuchte die Primary School von 2001 bis 2007. Ich begann die Secondary-School im Jahr 2008.

Ich war frustriert und traurig, da mein Vater mich nicht zur Schule gehen lassen wollte. Er wollte mich verheiraten um dafür Kühe zu bekommen. Mein Vater hat meinen Willen nicht geschätzt und es für selbstverständlich gehalten, dass ich nicht weiter studieren sollte. Aber ich wollte einerseits studieren und andererseits meinen Geschwistern und Verwandten helfen.

Ich hatte eine Vision und wollte meine Ziele und meinen Traum verwirklichen. Ich wusste, dass ich meiner Familie helfen würde, gegen die Armut zu kämpfen.

Mein Vater weigerte sich mir zu helfen und er wusste, dass ich ein Kind war und ich von ihm allein abhängig war. Ich bat ihn, den Schultransport zu bezahlen und sagte ihm, dass ich niemals Geld für meine persönlichen Bedürfnisse wollte. Alles was ich wollte, war, in die Schule zu gehen ohne einen einzigen Cent für mich auszugeben. Ich hatte keine Seife um mich zu waschen oder meine Kleider zu reinigen. Ich hatte keine Zahnbürste und auch keine Zahnpasta, kein Speiseöl, keine Decke, kein Buch, keinen Bleistift, aber ich hatte darum nie meinen Vater gebeten.

Alles, was ich wollte war, in die Schule zu gehen. So habe ich mich entschlossen zu meiner Primary-Lehrerin zu gehen und ihr zu erklären, wie die Dinge sind. Sie sagte es dem District Executiv Officer. Er berichtete es weiter an die Autoritäten, dass ein Mädchen in die Schule gehen will und ihr Vater es verbietet und stattdessen sie verheiraten will, damit er ein paar Kühe bekommt. Er wurde für 2 Tage eingesperrt und man erinnerte ihn an seine Verantwortung für das Kind. Er wurde freigelassen nachdem er versprochen hatte, die volle Verantwortung für seine Tochter zu übernehmen.

Ich setzte meinen Schulbesuch fort trotz der Herausforderungen, denen ich gegenüber stand. Im Jahr 2009, als ich in Class2 war, weigerte er sich, mir Geld für den Schulweg zu geben und er beharrte darauf, dass ich heiraten solle.

Da habe ich mich entschieden zu gehen, ohne die Eltern zu informieren. Ich ging 50km weg von zu Hause zur Schule, ich verbrachte eine Nacht im Busch, weil die Reise zu lange war. Ich war hungrig und müde aber am nächsten Tag erreichte ich die Schule und erzählte alles den Lehrern. Diese verlangten das Schulgeld und fragten, ob ich persönliche Sachen mithabe.

Ich sagte ihnen, dass ich weder das Schulgeld zahlen kann, noch Geld für meine persönlichen Bedürfnisse habe.

Nach einer Woche schickten mich die LehrerInnen nach Hause um das Schulgeld zu bringen. Ich war eine der Studentinnen, die kein Schulgeld bezahlt hat. Ich verließ das Schulgelände und ging nach Hause. Ich war sehr traurig weil ich wusste, dass ich niemanden hatte, der mir hilft.

Zu Hause setzte ich mich unter einem Busch und beschloss, dass ich einen Brief an einige Companies in Longido schreiben werde, dass sie mir helfen. Ich schrieb an TEMBO und an WORLD VISION. Sie waren sehr berührt und ich war ihnen sehr sympathisch.

Ich ging zur Schule zurück und ersuchte den Head-Teacher, dass er mir 2 Wochen Zeit gibt, um die Antworten der Companies abzuwarten. Ich durfte weiter in der Schule bleiben.

Nach zwei Wochen ging ich zu den Companies und bekam von Beiden eine positive Antwort! Ich entschied mich für TEMBO. Sie unterstützten mich voll und bezahlten meine Schulden.

Sie bezahlten mein Schulgeld und ich war glücklich.

Ich entschied mich nach einem Jahr über die Ferien nach Hause zu gehen. Meine Mutter und meine Geschwister waren sehr froh, mich nach so langer Zeit zu sehen. Aber mein Vater war überhaupt nicht glücklich. Ich blieb während der Ferien zu Hause während mein Vater seine Pläne für mich hatte.

Er brachte einen Mann nach Hause von dem er dachte, dass er die richtige Person sei, die mich heiratete. Ich sagte ihm, dass ich nicht bereit bin zu heiraten und dass ich mein Studium fertig machen möchte. Ich informierte die Dorfältesten und erklärte ihnen alles in der Hoffnung, sie würden mir helfen. Aber das war falsch; sie unterstützten alle meinen Vater und sagten, dass ich verheiratet werden sollte.

Da entschloss ich, zu meinen Pastor zu gehen. In der Nacht vor meiner vorbereiteten Hochzeit verließ ich mein Zuhause. Der Pastor war berührt und konnte nicht glauben, was da vor sich ging. Er mietete ein Motorrad und brachte mich noch in der Nacht zu der Company, die mich voll unterstützte. Der Manager dieser Company war enttäuscht und betrübt. Sie beschlossen, für mich alles einzukaufen, was ich brauchte, da ich alles zu Hause gelassen hatte. Ich wollte meinen Vater nie mehr sehen. Das war im Jahr 2010, da war ich 16 Jahre alt.

Seit damals ging ich nicht nach Hause, auch in den Ferien nicht. Die TEMBO-Company redete mit den LehrerInnen und die sagten, dass sie mich in der Schule behalten, während der gesamten Ferien. Ich war sehr traurig, weil meine Schulfreundinnen in den Ferien immer nach Hause fuhren und ich war die Einzige, die in der Schule zurückblieb. Das war nicht leicht für mich...

Eines Tages begegnete ich einer Frau, die in der Nähe der Company lebte. Ich erzählte der Frau meine Geschichte und all das, was ich durchmachte. Die Frau hatte Mitleid und versprach, mit ihrem Ehemann über mein Problem zu sprechen. Beide stimmten zu, mich während den Ferien aufzunehmen. Fünf Jahre ging ich nicht nach Hause; ich vermisste meine Familie.

Nachdem ich die Secondary-School beendet hatte, bekam ich das Zeugnis. Es war nicht so besonders gut, aber ich dankte Gott für alles. Mein Vater hörte, dass meine Ergebnisse nicht so gut wären und er besuchte mich. Er wollte mich nach Hause nehmen und sein Ziel war, mich zu verheiraten. Er meinte, dass nach diesen eher mäßigen Noten es besser wäre, wenn ich heirate.

Die Familie, die mich in den Ferien adoptierte, hat mich aber nicht gehen lassen. Sie sagten meinen Vater, dass sie mich auf das College schicken werden und nach dem Ende des Collegs  soll er einen Ehemann suchen.

Dann besuchte ich das College von 2012 bis 2014. Danach bewarb ich mich bei verschiedenen Schulen um eine Anstellung. Von einer Freundin hörte ich von Africa Amini Alama. Ich schrieb einen Bewerbungsbrief. Ich bekam einen Job im Jahr 2015 in der Simba Vision Primary School, eine der Schulen von Africa Amini Alama. Ich war so glücklich und ich dankte Gott für diese Anstellung! Ich traf dort wunderbare Lehrerinnen wie Imelda und Leah.

Sie empfingen mich mit offenen Armen und wir lebten glücklich zusammen wie Schwestern.

Ich war glücklich weil ich wusste, dass die Bevölkerung die hier lebt, Maasai sind, wie ich eine bin.

Ich war auch glücklich weil ich wusste, dass Christina und Cornelia den Kinder helfen. Ich wusste, dass den Kindern in der Regel ihre Rechte verweigert wurden und als ich sie zur Schule gehen sah, mit Hilfe von Christina und Cornelia, war ich glücklich weil ich wusste, dass sie nun eine große Zukunft vor sich haben.

Nach all dem, was ich durchgemacht habe, wollte ich Mädchen helfen, denen ihre Rechte verwehrt werden. Ich sehnte mich danach, für die verzweifelten Mädchen im Maasailand zu kämpfen. Ich wurde Lehrerin und bin glücklich, Kinder zu unterrichten.

Als ich die Anstellung bekam habe ich die Nachricht bekommen, dass meine Mutter krank sei und im Spital in Longido liegt. Ich habe sie nun schon fünf Jahre nicht gesehen und so finanzierte ich mit meinem ersten Gehalt die Fahrt ins Spital.

Als ich meine Mutter nach der langen Zeit wieder sah, weinten ich und meine Mutter bitterlich. Mein Vater, der auch da war, weinte und bat mich um Verzeihung. Er sagte:            “ Meine Tochter, ich weiß, dass ich kein guter Vater war aber ich bitte dich, mir zu vergeben, was ich dir alles angetan habe.“ Wieder weinte ich und habe mich entschieden, ihm zu vergeben.

Ich kehrte zurück in die Schule und fragte um Erlaubnis, meine Mutter vom Spital nach Hause zu bringen. Imelda, unser Head-Teacher gab mir die Erlaubnis und so brachte ich  meine Mutter nach Hause.

In der Schule habe ich sehr liebe Freunde, die uns jedes Jahr besuchen kommen.  Sie sind die Hauptsponsoren von Simba Vision; ihre Namen sind Liesl und Norbert.  Zuerst fragten sie mich, wie meine Lebensgeschichte lief; und als ich meine Geschichte erzählte, waren sie sehr berührt.

Ich erzählte ihnen, dass ich gerne besser Englisch lernen wollte. Sie brachten mir Lernbücher, die ich las und noch immer lese und mein Englisch ist bereits merkbar besser.

Beim zweiten Besuch fragten sie mich, was sie für mich tun können.  Ich dachte an meine Eltern und bat sie, Essen für meine Familie einzukaufen. Sie waren einverstanden und so kauften wir Reis, Mais, Speiseöl und andere Lebensmittel. Wir brachten alles zu meinen Eltern. Imelda und Glory, meine Lehrerkolleginnen, waren auch dabei.  Wir fuhren ins Maasai-Gebiet, in die Nähe von Dinga Dinga. Meine Familie war sehr erfreut als sie mich mit Europäern und auch afrikanischen Freundinnen kommen sahen. Mein Vater konnte nicht glauben, dass ich das wirklich selbst war. Ich war glücklich und fühlte mich geehrt.

Das nächste Mal beschlossen sie, ein Haus für meine Familie zu bauen, ein richtiges mit Mauern, Türen und Fenstern und einem festen Dach...

Ich war sehr aufgeregt, weil meine Mutter ein festes Haus wollte – und nun ist das Haus komplett. Ich danke meinen Sponsoren für all die wundervollen Dinge, die sie mir und meiner Familie schenkten.

Ich schätze sie und danke all denen, die mein Leben verändert haben. Die TEMBO-Company, meine Eltern, die Lehrerkolleginnen, die ich zuerst in der Simba Vision getroffen haben, Imelda und Leah,und nicht zu vergessen, meine drei „Schwestern“, die jetzt mit mir im selben Haus nahe der Schule wohnen Erither, Glory1 und Glory2 und selbstverständlich Cornelia Wallner-Frisee. Ich danke allen Sponsoren, die immer mich, die Lehrerinnen und die SchülerInnen der Simba Vision unterstützen.

Danke Norbert, dass du in mein Leben gekommen bist. Ich werde es niemals bereuen, dass ich dich als meinen engen Freund habe; du hast mein Leben komplett verändert.  Hab ein langes Leben. Danke an Africa Amini Alama für die große Unterstützung.

Gott schütze all meine Freunde und alle Familienmitglieder von ihnen.“